August 24, 2020

5 Gründe, warum du so viel nachdenkst

by Alina in ~KOPF~1 Comments

5 Gründe, warum du so viel nachdenkst

Du kennst das bestimmt auch, oder? Wenn man einmal nicht aufpasst, jagt ein Gedanke den nächsten, man kommt von Hölzchen auf Stöckchen und weiß gar nicht wie man dieses Gedankenkarussell wieder anhalten kann. 

Besonders nachts taucht dieses Nachdenk-Phänomen besonders häufig auf und hält einen vom Schlafen ab. Aber auch tagsüber braucht es nur einen Moment ohne Ablenkung und schon steht man sich wieder selbst im Weg, hinterfragt jede noch so kleine Entscheidung oder tut sich schwer überhaupt eine zu treffen. 

‚Was wäre wenn‘ und ‚hätte-hätte‘ sind häufige Begleiter unseres turbulenten Alltags. Ganz schön stressig.

Aber woher kommt das eigentlich? Wieso denken wir so viel nach?

Viele würden jetzt vielleicht antworten, dass es dein eigenes Problem ist und du deine Gedanken besser kontrollieren musst. Oder dass du wohl zu viel Zeit zu haben scheinst, wenn du dich in deinen Gedanken verlieren kannst.

Aber was ist wenn ich dir sage, dass es 5 Gründe gibt die dafür sorgen, dass wir ständig nachdenken und alles rational lösen wollen?

#1 – Nachdenken sichert das Überleben.

Stetiges Nachdenken lässt sich evolutions-biologisch erklären, denn schon unsere Vorfahren aus der Steinzeit haben dies immer häufiger getan. 

Zum einen lag das natürlich daran, dass die Menschen die mehr nachgedacht haben meistens auch diejenigen waren die schwierige und gefährliche Situationen überlebten. Zum anderen lässt es sich aber auch hormonell erklären, wobei unsere Vorfahren sehr ähnliches erlebt haben wie wir heute:

Sobald man einmal schlechte Erfahrungen gemacht hat und diese mit negativen Gefühlen verbunden waren versucht man natürlich solche Situationen möglichst zu vermeiden oder zu kontrollieren.

Das passiert durch akribisches Planen wofür rationales Nachdenken nötig ist und was von verschiedenen Stresshormonen unterstützt wird.

Einen Dopamin-Kick gibt es, wenn die kritische Situation oder das Risiko abgewendet wurde und man alles unter Kontrolle hatte. 

Ein solches Ergebnis wiederum führt meistens leider nicht dazu, dass wir uns entspannen und unser Kopf uns eine Pause gestattet – viel mehr planen wir mit Hilfe neuer Stresshormone noch mehr als zuvor, um nun nicht mehr nur eine mögliche schlechte Erfahrung zu vermeiden, sondern auch um nochmal ein Dopamin-Hoch zu erzielen.

Diese Spirale führt schnell dazu eine Stressgewohnheit, mit konstant erhöhten Stresshormonen, zu entwickeln die auf andauerndem Nachdenken aufbaut. 

Zusätzlich wird diese Gewohnheit durch unsere schnell-lebige Umwelt, in der man wenig anderes als sein eigenes Verhalten kontrollieren kann, weiter verschärft. 

Wir haben quasi ‚keine andere Wahl‘ als 100 Pläne für 100 verschiedene Möglichkeiten zu entwerfen, auch wenn es am Ende dann doch wieder anders kommt.

#2 – Ich denke, also bin ich.

Wie grade schon erwähnt sind die heutigen Umstände ebenfalls ein entscheidender Faktor der nachhaltig vom französischen Philosoph René Descartes hat beeinflusst wurde. Im 16. Jahrhundert hat er mit dem Slogan ‚Ich denke, also bin ich‘ unser Verhältnis zum Nachdenken verändert:

Er hat dafür gesorgt, dass wir unser Selbst und unsere Identität mit unserem Verstand, der im Kopf zu finden sei, gleichsetzen. 

Gleichzeitig schrieb Descartes dem Körper eine unwichtige Rolle zu, er sah ihn mehr als eine Art Maschine die unseren Verstand und damit uns Selbst von A nach B bringt, ohne selbst Einfluss auf unsere Entscheidungen nehmen zu können. 

Da sich Gefühle körperlich äußern, degradierte Descartes diese ebenfalls zu etwas eher unwichtigem, einer lästigen Begleiterscheinung die uns Menschen mit Verstand nur vom rechten Weg abbringt.

Diese dualistische Theorie, welche sich uneingeschränkt auf unseren rationalen Verstand fokussiert, legte den Grundstein für die Forschung nach unserem menschlichen Bewusstsein. 

Descartes hat damit maßgeblich dazu beigetragen, dass rationales Nachdenken als DIE menschliche Eigenschaft gilt und somit unangefochtene Wichtigkeit erlangte.

Vielleicht regt sich in dir grade eine Stimme die sagt ‚aber Gefühle machen doch den Menschen aus?!‘. Sehr guter Punkt, aber wenn man sich umguckt, spielen sie nur hinter verschlossenen Türen eine Rolle oder?

#3 – Sitz still und lern ordentlich.

Das zeigt sich zum Beispiel in der Schule wo wir beigebracht bekommen still zu sitzen, den Bewegungsdrang zu unterdrücken und ruhig dem Unterricht zu folgen. 

Es werden theoretische Konzepte erklärt und in langen Klausuren wieder abgefragt. Häufig fehlt diesen jedoch der Realitätsbezug (der eine wichtige Voraussetzung ist um für uns Menschen als sinnvoll zu gelten), weshalb es nicht nur schwierig ist die Konzepte richtig zu verstehen, sondern auch nahezu unmöglich das Gelernte im Alltag zu nutzen.

Oder wann hast du das letzte Mal eine dritte Wurzel von etwas ausgerechnet oder eine Gedichtsanalyse gebraucht?

Doch nicht nur der Lerninhalt, sondern auch die Methoden sind auf kognitive Leistungen ausgerichtet. Kreative Ansätze und eingeplante Bewegung, die übrigens nachweislich das Lernen unterstützen, findet man meist noch in der Grundschule. 

Auf der weiterführenden Schule ist dafür jedoch keine Zeit mehr, der Lehrplan lässt keinen Spielraum.

 Also ist frontal Unterricht das Mittel der Wahl. Vielleicht auch, weil die Lehrer gemerkt haben, dass es ihnen nicht gedankt wird wenn sie kreativere Methoden anwenden möchten – weder von den Schülern, die gelernt haben das Lernen keinen Spaß macht, noch von den Kollegen, die sich ja dann auch etwas einfallen lassen müssten um ebenfalls interessanten Unterricht zu machen.

Unser Verstand wird im Schulsystem, welches trotz wissenschaftlichen Erkenntnissen seit über 100 Jahren weitestgehend gleichbleibende Methoden praktiziert, zurecht gestutzt, trainiert und als der Schlüssel zu einem guten Leben dargestellt. 

Kreativere und aktivere Unterrichtsfächer wie Kunst, Musik oder Sport finden entweder in der letzten Stunde statt, fallen häufig aus oder sind die ersten Fächer die abgewählt werden können.

Du merkst, das Schulsystem hat an Descartes Ansatz festgehalten – wichtig ist der Intellekt, der Körper ist nur dafür da ihn pünktlich zur Schule zu bringen. Kein Wunder also dass wir so viel Nachdenken, denn es wurde uns von Kindertagen an so beigebracht.

#4 – Denken sei der Schlüssel zum Erfolg.

Genau diese Denkweise, die uns in der Schule beigebracht wurde, hat auch im weiteren Leben bestand: wer etwas erreichen möchte, sollte möglichst eine Universität besuchen und da den Verstand weiter schärfen.

Rationales und akribisches Nachdenken, häufig fokussiert auf abstrakte Probleme, wird damit zum Schlüssel für (wirtschaftlichen) Erfolg gemacht.

Praktische und handwerkliche Berufe verlieren immer weiter an Ansehen und Zulauf, und werden durch geringe Bezahlung, schlechte Arbeitszeiten und -bedingungen wenig honoriert. 

Und das obwohl sie so wichtig für die gesamte Gesellschaft sind, oder könntest du dir ein funktionierendes System nur mit Ärzten, Richtern und IT-lern, aber ohne Elektriker oder Krankenpfleger vorstellen?

Es wird wieder deutlich, nur wer nachdenkt hat angeblich eine Chance auf einen angesehenen Beruf mit guter Bezahlung, was häufig mit einem guten Leben gleichgesetzt wird. 

Das auch ein Job mit weniger gesellschaftlichem Ansehen, der dafür aber Erfüllung bringt, ein Erfolg und damit ein gutes Leben ausmachen kann wird gerne außen vorgelassen.

Kannst du dich erinnern, was dich bei deiner Karriere-Wahl beeinflusst hat?

#5 – So wie du sprichst denkst du auch.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass unsere Sprachwahl unser Denken wiederspiegelt. Da ist es also keine Überraschung, dass sich auch in unserer täglichen Kommunikation diese gesellschaftliche Einstellung deutlich zeigt. 

Nicht nur dass wir zum Arzt gehen und sagen ‚meine Hand tut weh‘, ganz so als wäre sie ein Objekt was uns gehört aber nicht Teil unserer Selbst ist, sondern auch unsere fest integrierten Metaphern zeigen für wie wichtig der Verstand, der sich im Kopf befinden soll, gehalten wird. Beispiele dafür sind Phrasen wie

    • ‚Der Kopf des Unternehmens‘ – Bezeichnung für die wichtigste und damit leitende Person
    • ‚seinen Kopf durchsetzen‘ – den eigenen Willen kriegen
    • ‚Zwei Köpfe sind besser als einer‘ – wenn es darum geht ein Problem zu lösen
    • Welche Metapher kommt dir dazu in den Kopf?

Die Vorherrschaft von Kopf und Verstand wird somit in unserem Alltag immer wieder bestärkt. Und damit identifiziert sich nicht nur unser Selbst, sondern auch unsere gesellschaftlichen Hierarchien: erstaunlicher Weise stammen für uns bedeutungsvolle Worte wie Kapital, Kapitän oder Chief/Chef von dem lateinischen Wort ‚caput‘ ab was mit ‚Kopf‘ oder ‚Hauptsache‘ übersetzt wird.

Diese 5 Gründe dafür, warum du so viel nachdenkst, zeigen deutlich: 

Unsere biologischen Prozesse und die Umstände unserer heutigen Zeit sind ebenso Faktoren, wie der feste Glaube unserer Gesellschaft, dass sich unser Selbst im Kopf befindet und der Verstand somit in jeder Hinsicht der Schlüssel zum guten Leben ist.

Mit anderen Worten (und angelehnt an das schöne Lied der Ärzte), es ist nicht deine Schuld, dass du so viel nachdenkst, es ist nur deine Schuld, wenn es so bleibt. 

Denn du hast die Wahl und die Verantwortung etwas für dich zu ändern und raus aus dem Kreislauf von Kontrolle, Stresshormonen, Identitätskrise und Sinnlosigkeit zu kommen.

Dein Körper ist die Lösung dafür und ich bin hier um dir einen möglichen Weg zu zeigen.

Einen Vortrag von mir bei der Embodiment Conference 2020 genau zu diesem Thema findest du verlinkt in dem ‚Über Mich‘-Abschnitt.

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